Ein Beweger: von Uexküll

Wer in Zeiten ungebrochenen Fortschrittsdenkens seine Briefmarkensammlung verkauft, um mit dem Erlös einen alternativen Nobelpreis für ökologische und soziale Themen verleihen zu können, der verdient es, als Beweger bezeichnet zu werden.

Das Forum der Körberstiftung lud in diesem Frühjahr solche Beweger ein, die „nicht alles so lassen wollen, wie es ist“. In diesem Rahmen hatten wir, eine Gruppe von interessierten Jugendlichen, die Möglichkeit von Uexküll vor einem Exklusiv-Gespräch eine halbe Stunde lang persönliche Fragen zu stellen. Jakob von Uexküll weist einen Lebenslauf voll bewegender Projekte vor: Als Vertreter der Grünen war von Uexküll eine Legislaturperiode lang im europäischen Parlament, 1989-90 saß er im Vorstand von Greenpeace Deutschland. Er ist der Begründer des „Right Livelihood Award“ und Initiator des Weltzukunftsrates. Zum Interview erschien er ungeachtet der Aura einer öffentlichen Persönlichkeit in einem dezenten schwarzen Anzug, dessen zu kurze Hose einen Blick auf auffällig unauffällige graue Socken an seinen schmächtigen Fesseln erlaubte. Wenn man diesem Mann mit grauen Haaren und einer etwas altmodischen Brille gegenüber sitzt, verspürt man Neugier und möchte wissen, wie er zu seinem Engagement kam, ob es vielleicht in seiner Jugend prägende Erlebnisse gab. Von Uexküll gab schnelle und bedachte Antworten und erzählte, was auch in allen anderen Interviews steht: aufgewachsen in Schweden, später in Hamburg wohnhaft, erlebte von Uexküll seine Jugend in einer politischen Familie. Sein Großvater war der erste Ökologe, der den Begriff „Umwelt“ verwendete, sein Vater war Journalist, ebenso wie von Uexküll später, nachdem er in Oxford ein Studium in Politik-Philosophie-Volkswirtschaft abgeschlossen hat. In seiner Familie wurden ohne Tabus Fragen gestellt und immer nach einer Lösung für bestehende Probleme gesucht. Das ist es auch, was von Uexküll heute noch am Herzen liegt: „Diese Jahre sind eine wichtige Zeit. Wir stoßen auf die Grenzen des Wirtschaftswachstums, die wir bis jetzt mit Hilfe der Globalisierung umgangen sind.“ Die Menschheit habe in den letzten Jahren ein Umdenken durchlebt, es fehle das Umhandeln und dies, so hofft von Uexküll, könne nun ganz schnell geschehen. Darauf solle man sich vorbereiten. Von Uexküll selbst hat vor langer Zeit umgehandelt. Schon 1980 begründete er den „Right Livelihood Award“ und zeichnete erstmals zwei Preisträger aus, die eine außerordentliche Vision und Arbeit für das Wohl unseres Erde und seiner Menschen erbrachten. Nachdem die Verleiher des Nobelpreises seinen Antrag auf die Vergabe eines Preises für ökologische und soziale Themen mehrmals ablehnten, ist der „Right Livelihood Award“ heute vor allem als alternativer Nobelpreis bekannt und wurde in den letzten dreißig Jahren an 137 Preisträger aus 58 verschiedenen Ländern verliehen. Doch damit nicht genug. 2007 initiierte Jakob von Uexküll den Weltzukunftsrat (WFC), der sich für ein verantwortungsvolles, nachhaltiges Denken und Handeln im Sinne zukünftiger Generationen einsetzt. Sich als Jugendlicher im Weltzukunftsrat zu engagieren, ist zur Zeit nicht möglich. So setzten sich hier fünfzig Persönlichkeiten aus Regierungen, Zivilgesellschaften, der Wissenschaft und der Kultur von allen fünf Kontinenten für die Rechte der zukünftigen Generation ein, ohne selbige mit einzubeziehen. Der Weltzukunftsrat vermeidet bewusst, Energie in die Überzeugung jedes einzelnen Individuums zu geben. Er versucht, das Denken und Handeln aller durch die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen und zu lenken. Dafür werden weltweit zukunftsfähige Gesetze, welche die politischen Rahmenbedingungen verändern, gesucht und durch den Rat erfolgreich verbreitet und an die Entscheidenden herangetragen.

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