Von Milchmädchenrechnungen und Augenwischerei

SPIEGEL Online berichtete, dass Problem des teuren Wohnraums sei schon lange nicht mehr nur Problem der Geringverdiener: Auch die Mittelschicht sei betroffen. Bestätigt euch das nicht sehr in eurer Kampagne?
Natürlich bestätigt uns das in unserer These. Es ist aber traurig, dass jetzt der Aufschrei in Deutschland viel größer ist als vorher. Wir haben tausende Obdachlose hier in Hamburg und wir wollen eine Wohnungspolitik für alle haben, deswegen haben wir uns als Studierende und Auszubildende immer stark mit diesen Menschen solidarisiert und sehen uns schon in einer privilegierten Situation. Das ist auch einer der Gründe weswegen wir bei der Demonstration stark mit Organisationen wie Hinz&Kunzt zusammengearbeitet haben. Das Problem betrifft inzwischen auch die Mittelschicht und wir begrüßen es sehr, dass auch diese Leute sagen: „So geht das nicht weiter.“

Du hast die Demonstration bereits angesprochen: Sie war in Hamburg ein großer Erfolg, über 4000 Menschen haben teilgenommen. Wie geht es jetzt weiter?
Wir sind genauso aktiv wie vorher. Unsere Ziele bleiben dieselben. Wir werden jetzt versuchen, uns bundesweit weiter zu vernetzen. Diesen zaghaften Versuch gab es bereits bei der Demonstration als wir immer wieder Statements aus München und Freiburg bekommen haben, um Solidarität zu zeigen. Das wollen wir fortführen – ein gemeinsames Aktionsset ist in Arbeit. Es wird ein sehr spannendes Jahr 2013, weil wir der Meinung sind, dass es auch ein Thema für die Bundestagswahl sein wird, gerade auch weil es so vielen Menschen unter den Nägeln brennt.

„Das ist eine Milchmädchenrechnung der SPD, da wird den Menschen Sand in die Augen gestreut“

Ein Bundestagswahlthema könnte es in der Tat werden, denn einige Parteien wie zum Beispiel die Grünen oder vor kurzem auch der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Peter Ramsauer (CSU) nehmen sich des Themas an. Ein reiner Erfolg der Kampagne, oder seht ihr die Entwicklung immer auch mit einer gewissen Skepsis?
Natürlich ist es ein Erfolg, das auf die Agenda gesetzt zu haben. Über die Demo wurde auf vielen Sendern berichtet, das spricht für einen gewissen politischen Druck, den wir aufbauen konnten. Man muss aber auch immer ein wenig aufpassen, denn es ist auch viel strategisches Spiel dabei. Es ist die „Strategie der freundlichen Umarmung“. Wir haben eigene Vorstellungen von der Wohnungspolitik in Hamburg, da reicht es uns nicht, wenn nur ein paar tausend Sozialwohnungen gebaut werden. Ramsauer möchte den Sozialwohnungsbau wieder mehr fördern, was aber bei weitem nicht ausreicht. Die Grünen und die SPD haben sich in Österreich für eine Mietobergrenze von unter sechs Euro pro Quadratmeter eingesetzt, was wir natürlich sehr begrüßen. Wir hoffen, dass dies auch Zukunft in Deutschland hat.

Wie ist denn die Lage in Bezug auf die Sozialwohnungen hier in Hamburg?
Von den 6000 Wohnung die kommendes Jahr gebaut werden, sind 2000 Sozialwohnungen. Davon sind 1200 Wohnungen auf dem ersten Förderungsweg und 800 auf dem zweiten Förderungsweg bewilligt. Erstes Problem: Die 800 Sozialwohnungen, die im zweiten Förderungsweg kommen, beginnen erst bei acht Euro pro Quadratmeter und sind damit für Geringverdiener nicht bezahlbar. Außerdem sind sie zeitlich begrenzt, das heißt 15 Jahre lang bekommt der Investor den „Minusbetrag“ vom Staat ausgeglichen. Der Investor bekommt also Geld für den Bau und während der ersten 15 Jahre Sozialbauförderung, danach kann er mit seinen Wohnungen anstellen was er will. Da sehen wir ein großes Problem. Alleine im nächsten Jahr fallen 10 000 Wohnungen aus dieser Sozialbindung heraus, es werden aber nur 1200 neue gebaut. Da sieht man, dass wir tatsächlich fast 9000 Sozialwohnungen zu wenig haben. Das ist eine Milchmädchenrechnung der SPD, da wird den Menschen nur Sand in die Augen gestreut! Das zeigt auch die Geschichte: Während in den 1970er-Jahren noch über 400 000 Sozialwohnungen in Hamburg zur Verfügung standen, sind wir heute bei unter 100 000. Der Trend ist auch nach wie vor sinkend.
Dieses System der 15-jährigen Sozialbindung für diese Wohnungen ist einfach das falsche und davor drückt sich die Politik immer und immer wieder. Auch heute.

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Kategorisiert in HH City

Von Lukas Sparenborg

Seit 2012 bin ich beim FREIHAFEN. Studiere Politikwissenschaften an der Uni Hamburg und seit 2011 bin ich Textchef beim FREIHAFEN. Themenschwerpunkte sind Kultur (u.a. Poetry Slams) und Politik (was sonst?). Nebenher bin ich bei COPERNICUS e.V. Hamburg aktiv.

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