Immer steht einer in der Rolle des Kurnaz vorne im Mittelpunkt und erzählt chronologisch seine Geschichte – von den Wirren seiner Gefangennahme in Pakistan, über seine endlosen Verhöre in Guantanamo bis zu seiner Freilassung. Das Stück lebt von den Bildern, die dem Zuschauer beschrieben werden. Die anderen vier Schauspieler stehen hinten, erhöht auf dem Gepäckband, und nehmen die übrigen Rollen ein: Amerikaner, Deutsche, Türken. Soldaten, Anwälte, Wächter.
Die Übergänge sind fließend, fast unmerklich vollzieht sich der Rollenwechsel zwischen den Schauspielern. Nichts lenkt von der eigentlichen Tragik der erzählten Geschichte ab. Fünf Jahre in eineinhalb Stunden. Man bekommt eine Ahnung, einen kleinen Hinweis, wie Guantanamo sein könnte.
Als Kurnaz sich weigert, auszusagen, kommt er in Isolationshaft. Überraschend geht im Raum das Licht aus. Dunkelheit und Stille umgeben das Publikum. Niemand traut sich, laut zu atmen. Von draußen dringen Motorengeräusche herein. Langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. Man wird sich der Schatten, der Menschen um sich herum bewusst. Alle gemeinsam sitzen wir in lichtloser Stille, verbringen seine drei Wochen in wenigen Augenblicken. Bis jemand sagt „Wach auf!“ und das Licht wieder angeht. Viel zu hell und die Wände viel zu weiß.
Das Stück geht weiter.
Ein Einzelschicksal mit kontroversen politischen Themen zu verknüpfen ist eine große Herausforderung, die den jungen Schauspielern aber durchaus gelungen ist, ohne die komplexe Situation auf einzelne wertende Aussagen zu vereinfachen und im Strom des Anti-Amerikanismus mit zu schwimmen. Die Thematik ist schwierig: zum Einen weil es um den Islam geht, um die strittige Rolle der USA; zum Anderen weil Kurnaz‘ Schicksal eng an das Verhalten der Bundesregierung geknüpft ist – noch immer ist ungeklärt, ob Kurnaz mit Unterstützung der damaligen Bundesregierung Kurnaz schon 2002 hätte entlassen werden können; ein Untersuchungsausschuss ist dazu einberufen worden.
Am Ende der Aufführung verlassen die fünf geschlossen den Raum, das Publikum bleibt zurück, die Originalstimme Murat Kurnaz‘ wird eingespielt. „Ich bin aus Deutschland!“ ist der letzte Satz, der erklingt. Das Stück ist vorbei und das Publikum fängt an zu klatschen. Niemand sagt etwas, keine begeisterten Zwischenrufe, nur respektzollender Applaus für eine beeindruckende Leistung. Nach und nach verlässt das Publikum den Kieler Flughafen. Zurück bleibt nur die Säule, eingehüllt in Stars und Stripes. Und ein mulmiges Gefühl.