Ein arabischer Beweger

Mit welchen Gefühlen verfolgen sie die aktuellen Entwicklungen im arabischen Raum?
Ich bin optimistisch. Wenn sie verstehen wollen was momentan geschieht, müssen sie die Entwicklung der letzten 100 Jahre in der arabischen Welt nachvollziehen und das in einem größeren Zusammenhang sehen. Die letzten 100 Jahre waren für uns voll von Demütigung, die arabische Psyche hat sehr gelitten. Die Leute haben gesehen wie der Rest der Welt sich entwickelt, in der eigenen Umgebung aber wenig passiert. Jetzt gibt es das Beispiel der Türkei, die vor 30 Jahren noch eine Militärregierung hatten und heute eine Demokratie mit einer starken Wirtschaft sind. Langsam begreifen wir, dass wir viele Möglichkeiten haben. Aber ohne ein freiheitliches politisches System können wir nichts erreichen. Zunächst müssen wir also einen demokratischen Prozess in Gang bringen. Unter Diktatoren wie Gaddaffi oder al Assad ist ein Tiefpunkt erreicht worden, es muss jetzt aufwärts gehen.

Was ist dabei ihre Empfehlung für den Westen? Wie soll er sich z.B. in Libyen verhalten?
Das ist sehr schwierig. Einerseits hätte Gaddaffi ohne den Nato Eingriff tausende Menschen getötet. Andererseits sehe ich ungern Flugzeuge der Nato am arabischen Himmel. Neben der Frage nach dem Militäreinsatz ist es jetzt wichtig zu überlegen, was nach Gaddaffi kommt. Wie wird sich in Zukunft die Nato verhalten? Wird der Westen Libyen wieder als eine seiner Kolonien betrachten? Wichtig ist auf jeden Fall, dass der Westen hilft: Finanziell, moralisch und z.B. mit einer größeren Öffnung von Universitäten. Damit junge Leute aus dem arabischen Raum erleben, wie Demokratie funktioniert. Gefährlich ist das stereotypische Denken, alle Araber seien Terroristen und es sei ihnen nicht möglich in einer Demokratie zu leben.

Was für eine Einstellung gegenüber dem Westen herrscht denn in der arabischen Welt vor?
Die Araber bewundern den Westen. Wir schauen dahin und sagen „Schaut, zu was die fähig sind.“ Wenn ein junger Araber einen Mercedes fährt denkt der „Das ist Deutschland“…

 … zumindest ist es ein Teil von Deutschland. Was ist ihre Prognose für die nähere Zukunft in Ägypten?
Revolutionen können manchmal ernsthafte Rückschläge erleiden. Auch in Frankreich, wo ein paar Jahre nach der Revolution 1789 Napoleon an die Macht kam. Aber es gab kein Zurück im Denken der französischen Leute. Das ist die wichtigste Sache. Ich befürchte auch im Ägypten kann es Rückschläge geben. Aber ich bin optimistisch, dass die jüngere Generation ein Zurück im Denken verhindert. Wichtig ist, dass der Rest der Welt jetzt finanziell hilft weil sich Ägypten in einer ernsthaften Situation befindet. Wenn aber die Entwicklung in Ägypten günstig verläuft, dann werden andere Teile der arabischen Welt folgen. 80 Millionen Leute haben einen großen Einfluss auf die umliegenden Länder. (Schenkt sich Kaffee nach.)

Nun zum Schluss: Wie trinken sie ihren Kaffee?
Ohne Zucker, ohne Milch.

Vielen Dank für das Gespräch.

FOTO: Jan Wilken

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