Nach welchen Kriterien trifft der Chefredakteur bei Al Jazeera seine Entscheidungen?
Als ich den Posten antrat, gab es keinen Code of Conduct. Jetzt haben wir einen, der vieles regelt: Die grundlegende Linie der Redaktion, auf welche Art über verschiedene Themen berichtet wird, welche Bilder in bestimmten Zusammenhängen gezeigt werden sollten, wie man die Nerven der Leute bewahrt…
Haben sie im Rückblick große Fehler gemacht?
Ja, manchmal macht man Fehler, wir sind ja Menschen und keine Götter. Zum Beispiel habe ich einmal Bilder von Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und der Regierung senden lassen, die angeblich aus dem Irak stammten. Es stellte sich aber heraus, dass sie aus dem Iran kamen. Es war ganz klar mein Fehler, das nicht besser kontrollieren zu lassen. Auch habe ich einen Reporter zurückgehalten, der 2004 über die Orangene Revolution in der Ukraine berichten wollte. Einen Tag nach meinem Entschluss ging dort alles los und wir waren zu spät vor Ort. In diesem Fall hatte ich den Blick zu sehr auf das Budget gerichtet. Oft waren wir aber auch die schnellsten: Die Abu-Ghraib Bilder, der Tsunami in Indonesien, der Gazakrieg 2008; all diese Geschichten kamen zuerst auf Al Jazeera. Und wir haben 2006 am ausführlichsten über den Libanonkrieg berichtet. Trotzdem lassen sich diese beiden Fehler nicht austilgen.
Was sind die wichtigsten Informationsquellen für Al Jazeera?
Unter anderem Nachrichtenagenturen, aber am wichtigsten sind unsere eigenen Reporter. Die bekommen immer höchste Priorität, auch vor Reuters oder AP. Wir haben natürlich auch unsere besonderen Wege und Kontakte die Hinweise geben…
Welche Rolle spielen die „neue Medien“ wie Twitter und Facebook für den Sender?
Wir nutzen sie schon- und haben seit über 3 Jahren Accounts bei Twitter, Youtube und Facebook. Unsere Youtube Seite mit vielen Millionen Views ist sehr beliebt. Es ist uns also wichtig, kann aber keine Konkurrenz fürs Fernsehen sein.
Und in welche Richtung wird Al Jazeera sich entwickeln?
In alle Richtungen: Neben den englischen und arabischen Kanälen gibt es einen Dokumentarsender, einen türkischen Kanal und auch in Bosnien sind wir vertreten. Ich denke auch ein spanischer Ableger wird kommen, bin mir aber nicht sicher. Es gibt also Erweiterungspläne. Wenn man erfolgreich sein will muss man viele Wege versuchen, natürlich bekommt das Onlinegeschäft eine immer größere Bedeutung.