Ein arabischer Beweger

Am 8. Juni haben vier FREIHAFEN-Redakteure im Rahmen einer Podiumsdiskussion des KörberForums mit dem jordanischen Journalisten Ahmed al Sheikh gesprochen. Al Sheikh war bis vor kurzem noch Chefredakteur des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera, der die demokratischen Bewegungen im arabischen Raum wesentlich beeinflusst hat. Gegenwärtig berät Al Sheikh den Vorstandes des Senders.

FREIHAFEN: Herr al Sheikh, welche Bedeutung hat Al Jazeera in der arabischen Welt?
Al Sheikh: Al Jazeera hilft, die arabische Welt zu verändern. Und in den letzten Monaten konnten wir die Früchte dieses Veränderungsprozesses sehen. Ohne Al Jazeera hätten wir vielleicht 20 oder 30 Jahre länger warten müssen. Al Jazeera klärt auf und stellt kritische Fragen: „Warum hinken wir dem Rest der Welt hinterher?“ „Haben wir als Araber nicht die Fähigkeiten, global gesehen, aufzuholen?“ „Warum haben wir keine Demokratie, warum sind wir nicht frei?“. Wissen sie, Freiheit ist sehr kostbar in der arabischen Welt, weil sie selten ist. Aber diese Fragen bewegen zunehmend die Menschen dort. Besonders junge Leute wie sie sind dabei nicht so ängstlich wie die ältere Generation.

Vermittelt Al Jazeera nur Informationen oder motiviert es die Zuschauer auch in eine bestimmte Richtung?
Er vermittelt in erster Linie Informationen und berichtet über das, was geschieht. Damit fördert man aber auch unabhängiges Denken. Wir motivieren die Leute zu denken, zu fragen und dann vielleicht zu handeln. Wichtig dabei: Al Jazeera ist keine Partei. Wir haben keine Ideologie, wir haben keine Doktrin und keine Religion. Wir sind säkular wenn es ums Berichten geht. Wir wollen Leute auch nicht in Richtung arabischen oder muslimischen Nationalismus bewegen, wir bringen einfach nur die Geschichten. Wie jeder einzelne damit umgeht liegt in seiner Verantwortung. Wenn jemand Terrorist wird, ist es seine Wahl, wir haben damit nichts zu tun. Als wir einige Videos von Bin Laden gesendet haben kamen Stimmen aus den USA und sagten „Ihr ermutigt die Leute zum Terrorismus.“ Ich sagte: „Nein, das machen wir nicht. Ich bin mit der Botschaft nicht einverstanden und distanziere mich als Journalist davon, aber leider sind diese Terroristen Teil des großen Bildes. Und es muss jemand geben, er darüber berichtet.“ Das ist unser Job.

Berichten sie denn über alles oder gibt es Grenzen?
Ja, es gibt Grenzen. Nicht alle Bin Laden Videos wurden ausgestrahlt. Das meiste davon war nachrichtenunwürdige Propaganda. Mein Job als Chefredakteur war zu bestimmen, was ausgestrahlt wird und was nicht.

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