Nein, Lokstedt ist kein Szene-Stadtteil. Es gibt keine Partymeile wie in St. Pauli, keine jungen Künstler wie im Gängeviertel, keine Shopping-Möglichkeiten wie in Altona und keinen Kinderwagen-Laufsteg mit Müttern in Designerkleidung wie in Winterhude oder Eppendorf. In Lokstedt eröffnen keine Cupcake- oder Biomüsli-Läden, wahrscheinlich gibt es hier Menschen, die nicht mal wissen, was Cupcakes sind.
Lokstedt ist ein Puffer zwischen dem jungen Eimsbüttel und dem alten Niendorf. Zwischen dem schicken Eppendorf und dem weniger schicken Stellingen. Na klar, die Touri-Sammelstelle Hagenbecks Tierpark ist sowieso einen Besuch wert. Aber ich will nicht vom Tierpark erzählen, denn da war sowieso jeder irgendwann schon mal.
Ebenfalls bedeutsam: Das Hauptgebäude des NDR steht in Lokstedt. Hier werden unter anderem die Tagesschau und die NDR Talkshow produziert. Als Lokstedterin begegnet man deshalb auch mal Tagesschau-Sprecherin Ellen Arnhold bei Edeka an der Fleischtheke.
Doch Lokstedt ist kein Stadtteil, der jung und hip wirkt. Tolle Cafés, leckere Cocktailbars und exotische Restaurants sucht man vergeblich.
Im südlichen Lokstedt steht die Lenzsiedlung, 15-Etagen-Plattenbauten, kein Ambiente, ein hoher Ausländeranteil. Idyllisch ist anders, Künstler-Bilder auf den Fassaden hin oder her.
Doch dann geht man nur ein bisschen weiter und befindet sich in einer anderen Welt. Im Zylinderviertel stehen imposante Villen, vor denen zur Weihnachtszeit meterhohe, über und über mit Lichterketten geschmückte Tannen stehen. Hier werden Chihuahuas in winzig kleinen Burberry-Mäntelchen ausgeführt, passend zu Frauchens Lieblingsschal. Der Gärtner stutzt währenddessen die Buchsbäume.
Raus aus dem Zylinderviertel, rein in die gutbürgerliche Gemütlichkeit: In Lokstedt gibt es gut ein Dutzend Kleingartenvereine. Eine Reise in den Mikrokosmos der Parzellen: Hier schaukeln Kinder von jungen Paaren, die keinen Garten in ihrer City-Wohnung haben. Mami und Papi ist es fast schon peinlich, im Kleingartenverein zu sein, das ist doch viel zu spießig. Ängstlich schauen sie rüber zu Ottfried und Herta, die nebenan in Jogginghose Buletten essen. So wollen wir nie werden, sagen die Blicke, von beiden Seiten.
Ebenfalls sehr gemischt ist das Publikum auf dem Wochenmarkt, der jeden Mittwoch stattfindet – Rentner, Hausfrauen, Studenten, Kinder. Auch an jedem anderen Tag lohnt sich ein Gang durch die Grelckstraße – keine Spur der typischen Hamburger Unruhe, sondern der Duft nach frischem Kuchen aus der Bäckerei, frische Blumen aus dem Blumenladen und entspannte Spaziergänger. Kleinstadtfeeling, mitten in Hamburg. Wer hier durchspaziert, macht auch einen Abstecher in den Von-Eicken-Park. Hier wird die Schillingsbek, ein Bach, zu einem See aufgestaut. Obacht vor den Wildgänsen, die auch mal wütend meckernd Joggern hinterher rennen, wenn diese ihren Jungen zu nahe kommen. Die laute Hauptstraße ist plötzlich ganz weit weg und das Plätschern der Schillingsbek wird höchstens noch durch Kinderstimmen und Fahrrad- oder Handyklingeln gestört. Im Sommer fahre ich manchmal mit dem Rad in die kleine Grünoase. Dann setze ich mich auf die Wiese, lehne mich an einen Baum und genieße die Ruhe. Keine grillenden Jugendlichen, nur ein älterer Mann, der auf der Wiese mit seinem kleinen Hund spielt. Ich beobachte, wie der Welpe dem Tennisball nachjagt und lächle. Was für ein Glück, dass Lokstedt kein Szene-Stadtteil ist.
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