Die vielen Fußstapfen im Schnee vor dem Eingang täuschen: das Logo in der Grindelallee 5 war am gestrigen Donnerstag, den 02.12.2010 zum Konzertbeginn eher halbleer als halbvoll. Skepsis machte sich breit. Man hielt sich an Getränken fest; schrie seinem Nachbarn ins Ohr. Die hallende Vorband „Terraphile“ überzeugte noch nicht. Die laute Musik verlor sich im leeren Club. Das Schreien zum Nachbarn wurde lauter und die Musik schallte trotz leidenschaftlicher Musiker durchs Publikum durch. Es wurde keine schlechte, aber auch keine gute Stimmung gemacht. Kurzum: Es gab bis dato gar keine Stimmung.
Man müsste meinen bei solchen Grundvoraussetzungen hätten selbst die renommiertesten Hauptacts keine Chance mehr. Doch mit den ersten Takten von „Lieblingslied“ brachte The Love Bülow das Publikum trotz fehlenden Songtextwissens bereits in leises, unauffälliges Mitwippen. Das war Falk am Mikro und Michél an der Gitarre aber längst nicht genug. „Ihr müsst wohl erst gebeten werden“, riefen sie dem Publikum zu, welches sofort willig die letzten drei Meter, die Band und Fans trennten, überwanden. Weiteren Aufforderungen bedurfte es dann aber nicht mehr, denn der „Indie-Rap“ der Berliner brachte ausnahmelos alle Zuschauer durch tiefgründige, wortgewandte Texte und eine mitreißende Tanzbarkeit in Bewegung. So sprang der Funke von Lied zu Lied mehr auf das Publikum über und auch zwischen einzelnen Songs sah man bei frechen Sprüchen und echten Lachern eine Band, die Leidenschaft und Spaß an der Sache zeigte.
Wenn die beiden „Frontmänner“ auch die meiste Aufmerksamkeit auf sich zogen, gebührt den drei Hintermännern (Bass, Keys und Drums) der aufrichtige Respekt des Musikkenners. Sie legten einen gekonnten Freestyle hin und schufen mit ihrem musikalischen Feingefühl das melodiöse Fundament, auf dem ein Energiebündel von Sänger so viel Spaß hatte, dass man gar nicht anders konnte als mitzudancen.
Als die letzten Lichter erloschen und sich das Ende des Konzertes ankündigte, wurde die Forderung nach einer Zugabe laut. Gelohnt hat sich das Schreien auf jeden Fall, denn während der Zugabe wurde nochmal alles aus dem Show-Koffer hervorgeholt: Improvisierte Rhymes, Zuschauereinlagen, 30-Sekunden-Krach, Crowdsrufing-Battle und ganz zum Schluss „zufällig“ der Titelsongs ihres gleichnamigen Albums „Menschen sind wie Lieder“, der noch draußen im Schneesturm weiter klang. Man versteht jetzt, wieso F.R. sich genau diese Band auf seine Deutschlandtour im September mitnahm. Musikalisch und entertainement-technisch auf hohem Niveau und weit ab von jeder „Schubladenmusik“ lieferten die fünf ein abgestimmtes Zusammenspiel. Die Wortwitze überschlugen sich und wenn man nicht wegen eines Konzerts gekommen wäre, hätte man bestimmt schon für die amüsanten Ansagen zwischen den Songs Geld bezahlt. Geld bleibt leider auch der einzige Kritikpunkt des Konzerts. Denn die Karten, welche im Vorverkauf schon 13 Euro kosteten, waren definitiv zu teuer. Auch wenn man für sein Geld einiges geboten bekam, so dürfte dieser Preis doch viele der Konzertgänger, die keine Freihafen-Freikarten gewonnen haben, ferngehalten haben. Dabei bleibt eins sicher: Die Performance von The Love Bülow hätte sicher ein größeres Publikum verdient.
FOTO: Leonie Sontheimer