Poesie und Lyrik – was im Deutschunterricht als unbeliebt gilt, wird auf Poetry Slams zur ganz großen Performance- und Unterhaltungskunst. Auf dem Hamburger Kampf der Künste Finale im Schauspielhaus haben junge Poeten gezaubert – sie haben Wörter in Kunst verwandelt, Sätze in Gefühle, Sprache in Leidenschaft.
Auf den ersten Blick wirken sie ganz unscheinbar. Sie stehen da vor dem Mikrophon, Menschen, wie man sie täglich auf der Straße, in der U-Bahn, in der Schule und der Uni sieht. Manche von ihnen halten einen Zettel in zittrigen Fingern, andere vergraben die Hände in den Taschen. Doch sobald sie am Mikrophon stehen, unterhalten sie den gesamten Saal mit ihren Worten und werden zu Sprach-Performance-Künstlern. Sie verpacken Popkultur, Gesellschaftskritik und Liebeskummer in Worte, polstern sie aus oder spitzen sie zu – humorvoll, lakonisch, ironisch.
Ich habe geweint, gelacht, war nachdenklich und melancholisch. Auf den mit dunkelrotem Samt bezogenen Plätzen wurden die Zuschauer auf eine Achterbahn der Emotionen geschickt. Kulturelle Veranstaltungen können anstrengend sein – Poetry Slams machen einfach nur Spaß. Wer einmal dabei war, kommt immer wieder.
Eröffnet wurde der Abend von Moritz Neumeier, der mit Liebeskummer-Poesie beeindruckte. Doch kein Schimmer von Kitsch oder Beschönigung – unglücklich verliebt zu sein hat nichts mit Träumerei zu tun. Es tut verdammt weh. Und so schrie und flüsterte Moritz Neumeier auf der Bühne eine unsichtbare Frau an und trieb den Zuschauern die Tränen oder zumindest den nachdenklichen Schimmer in die Augen.
Auch die folgenden Performances hielten sich auf einem hohen Niveau. Ob lapidare Kurzgeschichte (Andreas Weber), ein hochpoetischer Text vom Altbundeskanzler des Poetry Slams, Sebastian 23, mit dem bezaubernden Titel „Holz – der Stoff, aus dem Bäume sind“, feiner Sozialkritik (Jasper Diedrichsen) oder der Gesellschaftskritik mit der direkten Aufforderung „Krieg den Arsch hoch!“ (Bleu Broode); die Slammer bewiesen Vielfalt, Kreativität und Sprachgefühl.
Der Siegertext kam von Marque-Regnier Hübscher. Mit einem „Besserwisser-Text“ griff er aktuelle Diskussionen aus Popkultur, Politik und Human-Interest auf, überspitzte sie bis auf das Äußerste und beendete jedes Szenario mit dem Satz: „Unwahrscheinlich, dass das gut geht!“ Er riss vor allem mit Rhythmusgefühl und geschickter Betonung das Publikum mit und gewann trotz Besserwisser-Attitüde – denn er hatte nun einmal wirklich recht.
Explizit gelobt sei auch die Moderation von Michel Abdollahi, der die Zuschauer lässig durch den Abend führte. Bei Anekdoten aus dem Flugzeug, einem Flirt mit einer Zuschauerin und dem Genuss der „Hausmarke“ wirkte er entspannt, selbstsicher und gebildet – und wurde so selbst zum Performance-Künstler.
Ein Abend irgendwo zwischen Satire, Standup Comedy, Lyrik-Lesung und Performancekunst, der sich gelohnt hat. Mit einem Lächeln auf den Lippen, ein paar Worten in den Taschen und dem Kopf voller Denkanstöße freue ich mich schon auf den nächsten Poetry Slam.