Abgeschnitten von der Außenwelt leben im Ashcliffe Hospital ganz dunkle Gestalten, die jede Menschlichkeit vermissen lassen.
U.S. Marshal Teddy Daniels (Leonardo diCaprio) und sein neuer Partner Chuck Aule (Mark Ruffalo) werden nach Shutter Island geschickt, um das Verschwinden einer Kindsmörderin aufzuklären. Teddy hat zudem ein privates Interesse an dem Auftrag: Er vermutet den Mörder seiner Frau Dolores (Michelle Williams) auf der Insel.
Die Marshals merken schnell, dass im Ashcliffe Hospital etwas nicht stimmt. Der Anstaltsleiter Dr. Cawley (Ben Kingsley) lässt sie nicht in die Akten sehen, die Angestellten und Patienten scheinen etwas zu verbergen. Je länger er da ist, desto häufiger wird Teddy von Migräneanfällen und Albträumen gequält, sogar tagsüber erscheint ihm seine tote Frau. Die Vermutung, dass auf der Insel heimlich verbotene Experimente an Patienten stattfinden, verhärtet sich – erst recht, als Chuck Aule verschwindet und sich niemand an ihn erinnert…
Der neue Scorsese-Film lässt den Zuschauer von Anfang an rätseln. Was stimmt hier nicht? Wer sagt die Wahrheit, wer lügt? Gibt es eine Verschwörung? Und was haben diese merkwürdigen Träume bloß immer zu bedeuten?
Martin Scorsese hat einen pompösen Film mit großen Bildern geschaffen. Der Psychothriller verheimlicht etwa zwei Stunden lang die Wahrheit, zeigt dabei aber dramaturgische Schwächen. Das große Versteckspiel kann nicht immer überzeugen, Scorseses filmische Mittel wirken altbacken.
Dies wird gleich am Anfang deutlich: Wenn die U.S. Marshalls mit der Fähre auf Shutter Island zufahren, ertönen grollende Bassschläge. Soll eindrucksvoll klingen, wirkt aber eher lächerlich, da eigentlich nichts passiert. Die Angestellten sind ein wenig zu verschlossen, die Patienten ein wenig zu verrückt, der Himmel ein wenig zu grau. Auch die ständigen Rückblenden stören den Erzählfluss.
Trotz aller Nörgelei: Martin Scorsese gehört nicht umsonst zu diesen Topregisseuren, von denen jeder schon einmal gehört hat. Lange bildete er mit Robert de Niro ein Traumpaar der Filmwelt, Regisseur und Schauspieler verstanden sich blind. Mit Leonardo diCaprio hat Scorsese nun einen jüngeren Nachfolger für de Niro gefunden, und das funktioniert fantastisch. Im nunmehr vierten gemeinsamen Film (nach „Gangs of New York“, „Aviator“ und „Departed – Unter Feinden“) ist diCaprio in nahezu jeder Szene zu sehen und spielt Teddy Daniels so überzeugend, dass man als Zuschauer sofort in seinen Bann gezogen wird. Jeder Blick sitzt und lässt tief in die Psyche des U.S. Marshals blicken.
Auch der Rest der Schauspielergarde überzeugt. Vor allem Ben Kingsley („Ghandi“, „A.I. –künstliche Intelligenz“) beeindruckt als undurchsichtiger Anstaltsleiter mit psychedelischem Blick, und auch Mark Ruffalo („30 über Nacht“, „Solange du da bist“) beweist als Ruhepol neben diCaprio, dass er zu Unrecht unterschätzt wird.
Obwohl die Szenerie überladen wirkt, hat Scorsese ein Psychodiagramm verfilmt, das den Zuschauern ein spannendes Rätsel aufgibt und sie selbst an ihrem Verstand zweifeln lässt. Es ist ein bedrohlicher Film über den Wahnsinn – mit peitschendem Regen, Wirbelsturm, einer Psychoanstalt und gellenden Schreien aus dem Nichts. Mit allem drum und dran eben.
Mein Fazit: Scorsese hat schon bessere Filme gemacht. Doch „Shutter Island“ ist ohne Frage sehenswert; ein überdurchschnittlich guter Psychothriller. Kinogänger, die nicht gerade die cinephile Kritikerbrille aufsetzen, werden mühelos in den filmischen Wahn hineingezogen und können sich ordentlich gruseln. Kommt man aus dem Kino, muss man sich erst einmal schütteln und wieder in der Realität ankommen. Hier hat sich niemand verschworen. Hier sind die Leute menschlich und normal. Obwohl… wieso guckt der Typ im Bus mich denn so komisch an..?