Deutschlands Jugend will Party bis zum Siedepunkt. Je verrückter desto besser, deshalb sind die Holi-Partys in den letzten Jahren bei uns großangekommen. In Indien ist Holi das Fest der Farben. Fremde Menschen beschmeißen sich gegenseitig mit Farbpulver, ganz egal wie alt, reich oder schlau die anderen sind. Im Farbrausch sind wir alle gleich. Trotz aller Freude und Ekstase kann ich solch ein Holi, wie es hier in Deutschland aufgezogen wird nicht feiern. In Indien selbst ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Feiernden um einiges größer als hier. Das indische Kastensystem beeinflusst noch heute viele Teile des öffentlichen Lebens. Menschen werden als Bettler geboren und sterben als Bettler. Das öffentliche Schulsystem bietet kaum Durchlass für die, die dem Kreislauf aus Armut und Ungerechtigkeit entfliehen wollen. Doch am Tag des Holi Festivals kriegt jeder, der sich auf der Straße blicken lässt seine Portion Farbpigmente vor die Nase. Ohne, dass Macht oder Geld dies verhindern würden. In Deutschland wird Holi an dreizehn verschiedenen Tagen den ganzen Sommer lang gefeiert. Ich war noch nie da und werd wahrscheinlich auch nicht mehr hingehen. Denn Holi hier und da scheint zwar ein und dasselbe Fest zu sein. Es liegen jedoch Welten dazwischen. Indien entspricht mit seinen knapp 1,2 Milliarden Menschen nicht nur ca. einem Sechstel der Menschheit. Ein großer Teil der Menschen lebt dort auch in großer Armut. Das hat an sich nichts mit unseren Holi-Partys zu tun, doch kann man daran sehen, wie wir im Westen mit anderer Kultur umgehen. Entstanden sind die Holi-Partys hier, weil die Initiatoren damit verständlicherweise hauptsächlich Geld verdienen und Leute beglücken wollen. Wir picken uns da ein Stück Kultur heraus, peppen es mit Musik und Bimbaborium auf und verkaufen es. Kapitalismus vom allerfeinsten. Was dort aus der Gesellschaft heraus entstanden ist, wird bei uns von Planern betrieben und aus Jux und Dollerei bezahlt. So landeten indische Farbpigmente im europäischen Mainstream. Ich möchte hier niemanden zum Kulturbanausen erklären, noch verurteilen, weil er Spaß am Holi feiern hat. Zu Techno Beats tanzen und mit Farbpulver umsichschmeißen kann so einfach sein, ist aber was anderes als Holi. Mit interkulturellem Austausch hat das nichts zu tun, wahrscheinlich eher mit Körperflüssigkeitenaustausch.
Foto: Steven Gerner / Flickr, CC-Lizenz (BY-SA) 2.0