82 – 46 – 19

Zwischen meiner Oma, meiner Mutter und mir liegen einige Jahre. Unsere Ansichten zu gewissen Themen sind deshalb sehr unterschiedlich. Oder?

Anhand der wichtigsten Streitthemen habe ich unter anderem herausgefunden, was meine Oma vom Kiffen hält und warum Justin Bieber ein absoluter Alptraum von einem Enkelsohn wäre. Meine Oma (82) hat mir schon im Windelalter gelehrt, was moralisch richtig ist und was ich gefälligst sein lassen soll. Mit ihren damals noch flinken Fingern hat sie mir aus Stoff, den sie sorgfältig aufgewickelt im Bettkasten aufbewahrt, ein Brautkleid genäht, in welchem ich dann mit Oma an unser selbstgebautes Altar schritt. Heiraten? Die Vollendung der Liebe, das Bekenntnis vollkommen und für immer zu jemandem gehören, wenn es nach Oma geht. Was damals dazu gehörte, wird heute häufig als überflüssiger Kitsch angesehen.

Vorbote des Todes

Meine Mutter (46) hat über das Heiraten eine ganz andere Meinung. „Das ist vollkommen überflüssig“, sagt sie. „Und wenn erst ab 40“, fügt sie hinzu, fast als wäre es der Vorbote des Todes. Ich bin 19, unendlich verliebt und auch sonst ziemlich romantisch. Welchen Blick hat man also auf die Heirat, wenn man eine rosarote Brille aufhat? Irgendwann bestimmt gerne. Aber bitte ohne Schloss, Pferd und Honeymoon Suite. Darüber, dass Frau und Mann in der Beziehung gleichgestellt sind, sind wir uns immerhin einig. Anders, als ich erwartet habe, liegen unsere Meinungen auch beim Thema Sex sehr nahe beieinander. „Gehört dazu, ne?“, meint Oma. „Gehört dazu, nicht erst wenn man verheiratet ist“, mache ich aus ihrer Aussage. Mama bringt es auf den Punkt: „Sex gilt definitiv nicht mehr als Tabu-Thema, heute gibt es nahezu keine Hemmungen mehr“. Danke Mama, das genügt als Information. Meine Generation geht mit ihrer Sexualität sehr unterschiedlich um. Während einige Kontakte in meiner Facebook Freundesliste ihre Partner, ich nehme an auch Sexualpartner, nahezu monatlich austauschen, habe ich ebenfalls zahlreiche Bekannte, die bereits einige Jahre mit ihrem Partner zusammen sind. Dass die Jugend im Vergleich zu der Generation meiner Mutter gar keine Tabus mehr kennt, kann ich allerdings nicht behaupten. „Wie schaut es aus mit Rauchen?“, frage ich meine Oma, die selbst bis nach ihrem 40. Lebensjahr Raucherin war und dann von einen auf den anderen Tag aufgehört hat. „Rauchen ist schädlich, man sollte gar nicht erst anfangen“, sagt sie heute. Mama hält das Qualmen ebenfalls für eine doofe und unkluge Aufklärung. Die Aufklärung sei heute wesentlich besser.

Grünes Gold

Ich rauche nicht, habe auch nicht vor anzufangen. Ob das an der Aufklärung liegt? Ich glaube nicht. Eher daran, dass es innerhalb meiner Familie nie als Verbot deklariert wurde – der Reiz kam nie auf. Gegen etwas grünes Gold auf einem Festival an lauen Sommerabenden habe ich allerdings nichts einzuwenden. Kiffen findet meine Mutter in Ordnung, solange es im Rahmen bleibt. Oma hingegen hält davon absolut gar nichts. Bestimmt sehe ich sie zukünftig mit bösem Blick und Zeigefinger in meiner Rauchwolke. Sorry, Omi! Dagegen, dass ich zum Essen mit meinem Freund gerne einen Wein trinke, hat Oma zum Glück nichts einzuwenden. Mama trinkt ab und zu gerne mit. „Solange man seine Grenzen kennt, ist Alkohol absolut okay“, sagt sie. Ein inneres Schmunzeln kann ich dabei natürlich nicht unterdrücken, wenn ich daran denke, dass meine Mama vor nicht allzu langer Zeit mit ihrer Freundin angetrunken per Anhalter gefahren ist, wie sie mir am nächsten Morgen leicht verkatert und wie ein aufgeregter Teenager berichtet hat.
Bei wichtige Themen, wie etwas dem Sparen, werden wir wieder ernst und pflichtbewusst. Beginnen sollte man damit möglichst jung, sind wir uns einig. Wenn Oma mir etwas beigebracht hat, dann ist es das Sparen. Immer, wenn sie mir ein paar Münzen geschenkt hat, gab sie mir einen Rat mit auf den Weg „Wenn du nicht sofort alles ausgibst und etwas sparst, dauert es nicht lange, bis du dir etwas Großes kaufen kannst“. Daran denke ich noch heute und horte mühsam meine Ein- und Zweieurostücke in einer Spardose. Meine Altersvorsorge ist natürlich auch schon angelegt. Klingt spießig, ich weiß. Später werde ich Omas Worten und meinem Gewissen aber sicherlich dankbar sein.
Bei dem Thema Konsolenspiele gehen unsere Meinungen noch einmal auseinander. Ich gebe zu, mein rosa Nintendo war super. Interessanter, als im Sommer draußen zu spielen, war er allerdings nicht. Mein Bruder (9), Besitzer einer Playstation 2, einer Playstation 3, einer Wii und einer XBOX, sieht das etwas anders. Im Alter von neun Jahren GTA zu spielen sei völlig normal. Das machen schließlich alle. Ahja, ein Spiel mit der Altersbeschränkung von 18 spielen also alle Drittklässler. „Da kommt man nicht gegen an“, sagt meine Mutter dazu. „In Maßen sind Konsolenspiele super“, finden Mama und Oma. Bis zu dem Punkt stimme ich überein. Allerdings kommt es darauf an, was man spielt.

„Also den kannste vergessen, den jungen Schnösel“ 

Dass Justin Bieber vollkommen einen an der Klatsche hat, denken wir alle. „Also den kannste vergessen, den jungen Schnösel“, pöbelt Oma und füttert diese Aussage mit Wissen, das sie soeben aus RTL Nachrichtensendungen erlangt hat. Mama prophezeit ebenfalls, das der frühe Erfolg den Absturz für den Teeniestar bedeutet. Dem kann ich nichts hinzufügen. Ich freue mich schon auf die zahlreichen Facebook Postings, die mich über Justins neusten Skandale aufklären werden. Die Befragung hat mir gezeigt, dass die Ansichten meiner Oma, meiner Mutter und mir gar nicht soweit auseinander liegen, wie ich vermutet habe. Sicherlich ist dies kein Abbild dafür, wie die Generationen allgemein zueinander stehen. Abhängig von der Religion, dem Familienverhältnis und der Herkunft wären die Antworten anderer Großmütter, Mütter und Jugendlichen gegensätzlich. Mir persönlich haben diese kleinen Gespräche neben den Standpunkten aber vorallem eines gezeigt: wie gut und offen das Verhältnis zwischen meiner Oma, meiner Mutter und mir ist. Besonders dankbar bin ich darüber in diesem Moment, weil ich nicht zwei Versionen mit geschönten Antworten basteln muss. So, und jetzt rufe ich wie Versprochen meine Oma an und lese ihr vor, „was ich da wieder gezaubert habe“. Versprechen hält man schließlich.

FOTO: Ninva Urheu

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Von Lisa Schleif

Seit 2011 Jahren füttere ich FREIHAFEN mit Artikeln. Die meisten meiner Texte findet man in der Rubrik Fischmarkt.

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