Ein Selfie ist kein Schnappschuss! Ein Selfie ist ein Meisterwerk mit extrem hohen Share- und Like-Potential. Das weiß die „Generation Instagram“ nur zu gut. FREIHAFEN hat für Euch den Meister des Selfies und die fünf beliebtesten Selfie-Variationen.
Das Wort des Jahres 2013 in Deutschland war „Große Koalition“ – das Wort des Jahres 2013 in England war „Selfie“. Während wir Deutschen uns noch mit politischen Plänen und strategischen Partner beschäftigten, knipste ganz Großbritannien schon fleißig Selbstporträts. Die offizielle Erklärung lautet: „Bereits die Obamas und der Papst posten Bilder von sich irgendwo im Internet – Das ist Grund genug!“
Der Meister des Selfies
Wie wahr… doch die Menschen knipsen nicht erst seit einem Jahr Selfies, oder? Ein Selfie ist ein Foto von sich, selbstausgelöst, meist mit einem Smartphone oder der Webcam, um es dann in den sozialen Netzwerken zu posten. Wenn man der genauen Definition folgen möchte, darf man aufgrund der technischen Voraussetzungen nicht ganz zurück in das 15. und 16. Jahrhundert gehen, als Leonardo da Vinci und Michelangelo mit kleinen Skizzen ihr eigenes Ich malten. Aber dann würde uns der „Meister der Selfies“ komplett verborgen bleiben. Die Rede ist von Rembrandt Harmenszoon van Rijn – bekannt unter seinem Vornamen Rembrandt. Der niederländische Künstler lebte im 17. Jahrhundert, fern von iPhone und 3D-Kameras. Doch auch ohne die aktuellste Technik bemühte er sich, Bilder von sich selbst zu malen, meist als einfache Zeichnung oder Radierung, um sie unmittelbar in seinem Umfeld zu teilen. Ungefähr 80 Malereien zeigen Rembrandt mit unterschiedlichen Gesten und Gesichtsausdrücken. Er nannte dies „die Studie an sich selbst“ – selbstverständlich durfte auch das noch heute sehr beliebte „Duckface“ nicht fehlen.
Die fünf beliebtesten Selfievariationen
Beliebt oder nicht? Diese Frage können wir uns eigentlich nicht mehr stellen. Das Selfie ist überall. Besonders in den sozialen Netzwerken bleibt kein Feed frei von Selbstporträts. Die so genannte „Instagram-Generation“ versteht es, die unterschiedlichen Formen des Selfies bei jeder Gelegenheit abzurufen. Dabei soll bloß nicht der Gedanke aufkommen, dass die Pose vorher vor dem Badezimmerspiegel einstudiert worden ist. Offiziell gibt es zehn Variationen des Selfies und die sind mittlerweile Bestandteil des Allgemeinwissens. Wir stellen euch die fünf beliebtesten vor:
- Das von Rembrandt genutzte Duckface: Hier werden Wangen eingesogen und die Lippen zu einer Entenschnute geformt: „Hi, ich bin so süß“ oder „Kuss für meine Süßen“.
- Das Spiegelselfie ist die älteste Form und stammt noch aus der technischen Vergangenheit, als das Smartphone nur eine Kamera auf der Rückseite hatte. Aus der Mode ist es dennoch nicht – viel eher in der Umkleidekabine. Eine beliebte Funktion, bei der sich das Handgelenk derartig verdrehen muss, damit das komplette Outfit sichtbar wird.
- Touristen sammeln mit dem Touri-Selfie Likes und Kommentare, wenn sie ihren Kopf zwischen Sehenswürdigkeiten und den Bildrand stecken. Sollte die Attraktion des Bildes sich auf den Porträtierten beschränken, ist eine Ortsangabe Pflicht.
- Die unmenschlichste Verrenkung ist für das Eigentlich-will-ich-gar-nicht-Selfie notwendig. Dieses Foto schaut aus der Vogelperspektive auf sein Motiv. Man selbst schaut dabei eingeschüchtert und leicht unschuldig nach unten. Der Kameraarm befindet sich weit über dem Kopf – Königsklasse!
- Selfies sollen beeindrucken. Klar, dass die männlichen Narzissten auch auf ihre Kosten kommen. Das Belfie – das „B“ steht für Body – zeigt den eigenen Körper in Bestform und wird häufig in Fitnessstudios zwischen Hanteln und Sit-Up-Bänken geknipst. Dabei entsteht zusätzlich ein schlechtes Gewissen beim Betrachter: „Du willst auch so einen Body, dann fang an zu trainieren“.
Selfieüberfall als Kurzfilm
Laut der aktuellen, repräsentativen Studie des Instituts für Jugendkulturforschung „Generation Selfie“ machen 57 Prozent der 14- bis 29-jährigen mit der Handykamera Fotos von sich selbst und laden sie dann auf Web 2.0-Plattformen ins Netz. Besonders selfie-affin sind weibliche Jugendliche. Kein Wunder also, dass die alte Form der Autogramme ausstirbt und es heutzutage viel cooler ist, Bilder mit seinen Stars zu posten. Kirsten Dunst, die amerikanisch-deutsche Schauspielerin, spielt sich selbst in einem aktuellen Kurzfilm als Opfer des Selfie-Überfalls. Der Filmemacher Matthew Frost zeigt in seinem Film „Aspirational“ zwei junge Frauen, die dabei sind, ihr Selfie mit „Kirsten ‚Fucking’ Dunst“ zu posten, während die Schauspielerin versucht, ein Gespräch aufzubauen. Völlig unmöglich – bis auf die Bitte der zwei Frauen, sie zu taggen (auf dem Bild mit Namen zu verlinken). Die Zeit der braven Fans ist vorbei. Zu groß ist das Share- und Like-Potential eines Selfies mit einem Star, der auf dem Foto selbst nur als Kulisse dient, während sich die Instagram-Generation selbst darstellt.
Die Stars leiden, die Facebook-Freunde auch. Das gesamte Internet ist voll von Selfies und ein Ende des Hypes ist nicht in Sicht. Neue Formen wie das „Shelfie“ oder „Welfie“ sorgen für die Unendlichkeit und geben neue Anregungen, seinen Körper für das perfekte Bild noch umständlicher zu verrenken. Wer weiß, vielleicht schafft es Deutschland in diesem Jahr, „Selfie“ zum Wort – oder Unwort des Jahres zu küren.