Das schlechte Gewissen

Jeder kennt das schlechte Gewissen. Ob wir nun falsch gehandelt haben oder mal wieder entgegen dessen gehandelt haben, was wir uns selbst eigentlich vorgenommen hatten: In solchen Situationen macht sich unser Gewissen bemerkbar und wir fühlen uns schlecht. Ich habe mich nun gefragt, warum wir so oft anders handeln, als es unserem Gewissen entsprechen würde und wie wir daran etwas verändern können?

Denke gut. Spreche gut. Handle gut. So lautet die simple und doch nicht einfache Lehre des Zoroastrismus, der ursprünglichen Religion des Irans. Jeder, dem ich bisher davon erzählt habe, stimmte mir zu, das sei doch wesentlich und wichtig. Aber die Umsetzung des idealistischen Glaubensgrundsatzes ist schwierig. Allzu schnell holt einen das schlechte Gewissen ein, wenn man einmal mehr an sich selbst und seinen Grund- wie auch Vorsätzen scheitert.

Das schlechte Gewissen ist eigentlich etwas Gutes. Das mag paradox klingen, da man es theoretisch nicht so weit kommen lassen sollte, dass man sich wegen etwas schlecht fühlt, das man gedacht, gesprochen oder getan hat – aber andererseits ist das schlechte Gewissen doch ein Zeichen des Skrupels. Menschen, die sich nicht schlecht fühlen, wenn es angebracht ist, sind skrupellos und das ist letztlich viel verwerflicher. Gegenüber sich selbst ist es schließlich auch immer noch ein Zeichen dafür, dass man sich selbstkritisch betrachtet und realisiert, dass man an sich arbeiten sollte.

Die Schwierigkeit des gut Seins

So, versuchen wir nun also das schlechte Gewissen als ein positives Phänomen zu betrachten. Der Mensch ist grundsätzlich nicht schlecht, nur schwach. Manchmal sind es die niederen Gefühle, die stärker als das eigene Ich sind, seien es Neid oder Missgunst. Aber ein schlechtes Gewissen bekommt man nicht bloß gegenüber anderen, indem man die sich selbst gesetzten Grundsätze über Bord wirft. Man bekommt es oft auch gegenüber sich selbst, wenn man die eigenen Vorsätze mal wieder schleifen, oder ganz hängen lässt. „Nächstes Jahr, da werd‘ ich…“, „Beim nächsten Mal, da will ich…“.
Aber dennoch fühlen wir uns schlecht deswegen! Wir wollen ja nicht so sein. Wir möchten nicht immer nur im nächsten Jahr etwas werden und beim nächsten Mal etwas wollen. Gibt es Hoffnung für uns Schwache, aber nicht schlechte Seelen, die wir doch im Grunde wünschen mehr zu sein als das, was wir sind?

Es stellt sich die Frage, wieso wir nicht immer unserem Gewissen entsprechend handeln und wie wir an uns arbeiten können. Wir fühlen uns besser mit einem guten Gewissen. Wer mag schon an einem nagende Gewissensbisse?
Sokrates beschrieb das Gewissen als eine innere Stimme, die vor falschen Handlungen warnt. Weshalb übergehen wir sie manchmal einfach?
Der Verhaltensbiologe Bernhard Hassenstein schreibt der Hemmschwelle, die in der Wissenschaft als Höchstwertdurchlass bezeichnet wird, eine wichtige Bedeutung in Bezug auf die Gewissensentscheidung zu. Komme es zu zwei miteinander nicht zu vereinbarenden Verhaltenstendenzen, sei die Hemmschwelle entscheidend, so Hassenstein. Der jeweils stärkste Verhaltensimpuls bestimme dabei die Gewissensentscheidung.

Die Verhaltensimpulse unterscheiden sich laut Hassenstein in biologisch bedingte Impulse, in durch Vorgänge und Ergebnisse des Lernens geprägte Impulse und in durch geistige Prozesse geprägte Impulse. Biologisch bedingte Impulse seien die stärksten.
Diese sind als jene zu verstehen, die in der Regel zu unseren eigenen Gunsten sind. Der Mensch ist nicht von Natur aus selbstlos. In seiner biologischen Veranlagung ist der Instinkt enthalten, in erster Linie eine positive Konsequenz für sich selbst zu erzielen.

Erst wenn Wahrnehmungen und gedankliche Einstellungen einen gefühlsmäßigen Faktor erhielten, setzten sie sich im Höchstwertdurchlass gegen andere Verhaltenstendenzen durch, erklärt Hassenstein. Das wäre also die Antwort auf die Frage, wieso wir manchmal entgegen unseres Gewissens handeln. Wichtiger bleibt allerdings die Frage danach, wie wir aktiv etwas verändern können.

Gewissensnot vs. Gewissenskraft

Das Gewissen ist geprägt von den Normen der Gesellschaft und von der persönlichen Einstellung. Als eine Instanz des menschlichen Bewusstseins bewegt es einen dazu, Handlungen aus ethischen oder intuitiven Gründen heraus zu tun oder zu unterlassen. Hassensteins Werk „Gewissen in der biologischen Anthropologie“ zufolge gibt es jedoch verschiedene Ausgangsbedingungen und Gegebenheiten, die es vermögen, diese Funktion außer Kraft zu setzen und schließlich zum gewissenlosen Handeln führen können. Dazu gehören nach Hassenstein beispielsweise die Gruppenaggression, die zu einem gefährlichen Schwarz-Weiß-Denken und zum Ausschalten des eigenen Denkens und Fühlens führen könne und die spezielle Angst bedingte Denkhemmung, die die Verdrängung und das Vermeiden bedrückender Gedanken meint. Zudem nennt er die fehlende Empathie zwischen Erwachsenen und Kindern als eine Ausgangsbedingung, welche dem Ausbau der Eigenschaften des Mitempfindens, Einfühlens und Hineindenkens im Wege steht.

Eine weitere seiner Thesen ist, dass man in Gewissensnot gerate, wenn man sich zwischen zwei Handlungen entscheiden müsse, die beide vom Gewissen gefordert würden, aber einander widersprächen – das typische Dilemma, mit dem man sich oftmals konfrontiert sieht.

In solchen Situationen helfe es, sich auf die Kraftquellen des Gewissens zu berufen, sodass auch absehbaren Nachteilen für einen selbst standgehalten werden könne. Diese Kraftquellen seien bestimmte Charakterzüge. Teilweise kann man sie nicht eigenständig beeinflussen, einige werden einem von Haus aus mitgegeben oder eben nicht mitgegeben. So das häufige Lob der Eltern für gutes und richtiges Verhalten oder ein enges und gutes Verhältnis zu einem Elternteil.
Der Verhaltensbiologe stellt auch das Wissen als einen wichtigen Faktor für die richtige Gewissensentscheidung dar. So spielten die eigene Lebenserfahrung und das eigene Handeln und die Erfahrung durch andere, die aus Beobachtung gewonnen würde, eine wichtige Rolle. Das ist ebenfalls etwas, was man sich erst im Laufe seines Lebens aneignen kann.
Jedoch kann man seine Gewissenkraft insofern stärken, dass man daran denkt, wer man gerne sein würde, oder nach welchen Idealen man eigentlich handeln möchte. Hassenstein spricht von einer weiteren Erstreckung des mitfühlenden Verhaltens, das man an einer Vorbildpersönlichkeit ausmachen solle. Das Gewissen gegenüber sich selbst ist wiederum ein anderes Phänomen. Bei einem dem Gewissen entsprechenden Handeln gegenüber sich selbst, kommt es auf längerfristiges Denken an, auf das Berufen auf seine persönlichen Ziele und vor allem auf Disziplin. Sprich, anstatt sich beispielsweise vor dem Lernen für Klausuren zu drücken, sollte man versuchen, sich ein individuelles Mantra als Motivation immer wieder aufzusagen. In diesem Fall könnte das sein: Ich arbeite auf ein gutes Abitur hin, denn das erleichtert es mir für das Studienfach meiner Wünsche angenommen zu werden, und wenn ich das jetzt durchziehe, dann kann ich nach der Klausur stolz auf mich sein.

Guten Gewissens gut sein

Im Kern ist also vor allem Reflektion nötig, um zum gewissenskonformen Handeln zu kommen. Auch Ehrlichkeit zu sich selbst ist von großer Wichtigkeit, ebenso wie eigenständiges, unabhängiges Denken. Darüber hinaus sollte man Dinge, die einem unangenehm sind, bewusst bedenken und nicht etwa gedanklich umgehen. Nur so ist man letztlich mit sich selbst im Reinen und nur so findet man zu einem beruhigten, friedlichen Gewissen.

 

Von Philipp Nuhn

Seit 2011 bin ich bei FREIHAFEN. Damals bin ich in die Anzeigenbetreuung eingestiegen. Seit Dezember 2012 bin ich Vorstandsmitglied der Jungen Presse Hambrg, er hat mich mit der Geschäftsführung des Jugendmagazings beauftragt. Seit Dezember 2013 bin ich Vorstand der Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände in Hamburg, seit März 2014 bin ich Bundesvorstand der Jugendpresse Deutschland. Ich studiere Digital Media in Hamburg und Lüneburg. Davor habe ich BWL studiert.

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