Er hat ein einzigartiges Konzept geschaffen, was mittlerweile Erkennungswert besitzt. Auf sämtlichen Bühnen Deutschlands und im TV ist er zu sehen. Jedoch brauchte es für seinen Erfolg ein paar Umwege.
Man erkennt Nico Semsrott ohne schwarzen Kapuzenpulli und Depri-Miene fast gar nicht, sogar lächeln kann er. Mit seinem Solo-Programm “Freude ist nur ein Mangel an Information” tourt er gerade durch Deutschland. Seine Mission ist es, die Zahl der 10 Millionen Depressiven in Mitteleuropa zu erhöhen. Dies tut er indem er mit PowerPoint-Präsentation und Unglückskeksen sein Publikum unterhält. Aber warum macht er das? Ist es nicht einfacher, Witze über den letzten Baumarktbesuch mit der Freundin zu machen? „Meine Figur hat den Auftrag die Zahl zu verdoppeln. Die Idee dahinter ist, dass eine Krise zur Veränderung führt. Bei jedem selbst und in der Gesellschaft allgemein. Das ist sozusagen der verzweifelte Ansatz dieser verzweifelnden Figur.“
Der 28-jährige Hamburger hat selbst eine Phase der Melancholie durchleben müssen. Er brach sein Soziologiestudium ab, weil ihm die Motivation gefehlt hat. „Es lag an der allgemeinen Perspektivlosigkeit“, sagt Semsrott. Auch seine Dozenten waren unmotiviert und haben ihm die Zukunft gezeigt, die er nicht erleben möchte: Erwachsene, die nur das tun was ihnen am gelegensten kam. Aus Angst sich was anderes zuzutrauen. Er lag monatelang im Bett bis er auf die Idee kam über seine Depression auf der Bühne zu erzählen.
Harte Schulzeit als Motivation
In der Schule habe er mit einer konservativen und unkooperativen Autorität zu tun gehabt. Er war Schüler der Sophie-Barat-Schule, eins der drei katholischen Gymnasien in Hamburg. Engagiert war er dort in der Schülervertretung und -zeitung. Ansätze und Anregungen, an der Schule was zu verändern, wurden von der Schulleitung nicht begrüßt: “Die Schulleitung hat vieles unterbunden.“ Die Schülerzeitung, in der Semsrott aktiv war, sorgte sogar für noch mehr Furore. Die Schüler hatten es satt von Lehrern eingeschränkt zu werden. Was mit Kleinigkeiten wie stilistische Fragen begann, artete in einem Streit der Prinzipien und Werte aus. Die Medien wurden auf den Streit aufmerksam. Es ging nicht mehr um einen schulinternen Konflikt über ein Käseblättchen, sondern um die Diskrepanz zwischen vermittelten Werten und Realität.“Ein Lehrer sagte mir sogar, ‘Nico, du hast als Mensch versagt.’ Das hat mich noch mal zusätzlich angetrieben, es durchzuziehen.”
Überraschend nüchtern erzählt er von seiner turbulenten Schulzeit. Obwohl die Lehrer es ihm angeblich schwer machten, scheint er mit diesem Lebensabschnitt abgeschlossen zu haben. Ob er an einer anderen Schule glücklicher gewesen wäre? Das weiß man nicht. Wahrscheinlich wäre er jedoch nicht da angelangt, wo er heute ist. „Die Umgebung meiner Schule war eine perfekte Satireausbildung. Viele Kabarettisten sind im Laufe ihres Lebens irgendwann mit dem Katholizismus in Berührung gekommen. Martin Sonneborn zum Beispiel. Oder Volker Pispers, der katholische Theologie studiert hat.“
Der Mensch ist sein eigenes Hindernis
In seinem Programm beschreibt Semsrott Menschen als Quallen – Geschöpfe ohne Rückgrat. Der Jungkabarettist glaubt sehr daran, dass Menschen sich gegenseitig beeinflussen. Es herrsche oft ein Klima der Mutlosigkeit und Angst. „Man bestärkt sich gegenseitig eher negativ als positiv. Man wird entmutigt, wenn man etwas neues probieren möchte. Eine unter Druck stehende Person verhält sich anders als eine Person, die frei entscheiden darf und trotzdem die Sicherheit der Gruppe hat. Der Mensch wird hauptsächlich von seiner Umgebung gemacht.“