Es ist kalt in Kopenhagen. Simone (32) guckt dementsprechend in strahlende Gesichter. Denn die dänische Studentin verteilt gegen Spenden warme Suppe an die Demonstranten. „Es ist doch wunderbar”, findet sie. „So viele sind gekommen um für unseren Planeten zu demonstrieren. Das macht Hoffnung, dass der Klimawandel noch zu verhindern ist.” Die Menge strömt an ihrem Wagen vorbei. Beinahe 100 000 Menschen haben sich diesen Samstag versammelt, um beim Klimagipfel in Kopenhagen für ein schnelles Handeln der Regierungen zu demonstrieren.
Der Protest ist bunt. Ein geschminkter Clown hüpft herum. Er lacht, singt und winkt den am Straßenrand aufgereihten Polizisten zu, eine Gruppe taiwanscher Aktivisten bietet Umarmungen mit einem kostümierten Pandabären und Jugendliche in Anzug und Lederschuhen werben ironisch für den wirtschaftlich profitablen Ausbau von Kohlekraftwerken. Alle haben sie Plakate und Banner dabei. „Nature doesn’t compromise!” und „There is no planet B” ist dort zu lesen und immer wieder wird die Forderung nach „Climate Justice!” durch die Strassen gerufen. „Climate Justice“ beschreibt die Idee, dass der Klimawandel nur durch einen konsequenten Systemwandel herbei zu führen ist.”, erklärt ein junger Aktivist aus Stockholm ”Die Ideologie eines Kapitalismus, der auf dem Prinzip stetigem Wachstums beruht, setzt unendliche Rohstoffe voraus. Die Kapazitäten der Erde sind aber begrenzt. Um den Klimawandel zu stoppen brauchen wir also neue Ideen und Systeme für eine nachhaltige, soziale und gerechtere Welt!” Konzentriert wendet er sich wieder seinem Megaphon zu und verschwindet vor dem Suppenwagen in der Masse.

Immer mehr Menschen tummeln sich um Simones Stand. Darunter auch Uwe (32) ein Umweltaktivist aus Potsdam, der Simones hoffungsvollen Kommentar mitbekommen hat. „In Berlin zur WM 2006 sind eine Millionen Menschen zur Siegessäule gekommen, um zu sehen, wie Schweinsteiger n‘ Ball tritt. Hier geht es um die Zukunft der Erde, um Hungersnöte, Migirationswellen, die Artenvielfalt und das Verschwinden ganzer Erdteile und piefige 100 000 sind hier. Dabei müsste doch eigentlich rechts, links, gläubig, alt, jung, afrikanisch, asiatisch oder amerikanisch dafür sein, dass die Natur erhalten bleibt. 100 000? Das doch ein Furz in den Wind!”
Und tatsächlich scheinen sich viele von der Demonstration fern zu halten. Die umliegenden Einkaufsstraßen sind gut gefüllt, das Weihnachtsgeschäft blüht und Jung und Alt stürzen sich auf Wintermäntel und Christbaumschmuck. Auch Sabine (19) und Tine (20) aus Kopenhagen sind Weihnachtseinkäufe erledigen. „Heute ist der einzige Tag an dem wir es nochmal für längere Zeit in die Stadt schaffen”, meinen sie und wühlen ein glitzerndes T-Shirt aus dem Kleidungsstapel. „Natürlich sind wir auch gegen den Klimawandel und finden es gut, dass es die Demo gibt. Aber demonstrieren ist einfach nicht so unsere Sache. Und guck doch mal die ganze Polizei an. Das gibt doch bestimmt wieder Krawalle.”
Die Krawalle gibt es. Der schwarze Block hat sich formiert und bildet mit schwarzen Tüchern und Kapuzen maskiert einen eigenen Abschnitt unter den Demonstranten. „One Solution! Revolution!” rufen sie und schon bald klirrt die Fensterscheibe einer dänischen Bank. Nur wenige Minuten später schreitet die Polizei ein. Mit Blaulicht trennen sie die Autonomen und einige andere Aktivisten vom Rest des Zuges. Vollkommen überrascht werden diese gefesselt und auf den Boden gesetzt. Dort warten sie dann teilweise bis zu drei Stunden auf dem kalten Asphalt bis sie von der Polizei abgeführt werden. Das Ergebnis: knapp tausend vorübergehend Festgenommene.

Die übrigen Demonstranten werden um den Ort der Eskalation herumgeführt, die große Menge zieht weiter. Man will schließlich noch bis zum Bella Center, in dem die Regierungschefs tagen und ihnen die eigenen Forderungen unterbreiten. Die Clowns winken, Eisbären verteilen weiter Protestzeitschriften und auch Simone lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Irgendwie werden wir den Klimawandel schon noch aufhalten”, meint sie, „und bis dahin nimm doch erstmal ne Suppe!”
FOTO: Christoph Aberle und Max Martens