Rassistische Relikte

Sie sitzen im Hamburger Stadtbild und sind doch nicht präsent: Spuren kolonialer Zeiten. Denkmäler für Sklavenhändler und rassistische Exponate in den Museen. Wie nostalgische Erinnerungswerte werden Denkmäler für Kolonialherren und Straßennamen erhalten, die für Ausbeutung, Unterdrückung und Menschenhandel stehen. In den letzten Jahren nimmt die Kritik zu, kämpft aber häufig noch um öffentliche Wahrnehmung.

Die Handelsstadt Hamburg bietet für beide Seiten viele Beispiele. Der „Tansania-Park“ in Jenfeld beherbergt gleich mehrere Kolonialdenkmäler aus der NS-Zeit und befindet sich an einem Kasernengelände, das nach Paul von Lettow-Vorbeck benannt ist: Ein führender Kopf im Vernichtungskrieg, der 1904 gegen die Herero in Deutsch-Südwestafrika geführt wurde. Unter den Nazis diente er als Kolonialpropagandist und führte weitere Kriege. Nach dem Zweiten Weltkrieg benannten Alliierte die Kaserne bereits um, als 1958 die Bundeswehr wieder in das Gebäude einzog, brachten sie den NS-Namen jedoch wieder mit. Bis zu ihrem Auszug 1999 fanden auf dem Gelände jedes Jahr zum Volkstrauertag Kranzniederlegungen für den Afrika-Korps und Schutztruppen statt. Seit 2002 setzt sich die Initiative „Hamburg Postkolonial“ für eine Umbenennung und den Abriss der Denkmäler ein.

Der Begriff „postkolonial“ entstand gegen Ende des Kalten Krieges und stammt aus den Geschichts-, Politik- und Kulturwissenschaften. Er entstand unter anderem aus Foucaults Post-Strukturalismus, der die Wechselbeziehung zwischen Sprache und sozialer Wirklichkeit kritisch untersucht. Die Initiative will gegen die Romantisierung der Kolonialzeit als Export des europäischen Fortschritts angehen. Man solle beispielsweise die Eisenbahn nicht als Geschenk für die Bevölkerung, sondern als Transportweg für Waffen und Waren sehen, der rein im Sinne der Besatzer gebaut wurde.

Ziel ist auch das Ablegen vom kolonialen Erbe, dabei bezieht man sich in Hamburg auf Kontorhäuser, alte Speicher, Hafenanlagen, Kirchen und Denkmäler. Die Hansestadt profitierte stark von den europäischen Kolonien und trieb deren Entstehung auch maßgeblich voran. Kaufleute und Reedereien nutzten den Hafen nicht bloß als Umschlagplatz für ihre Kolonialwaren, sondern betrieben auch politische Lobbyarbeit für den Aufbau der Kolonien. Dabei warben sie mit dem Spruch „Hamburg, das Tor zur Welt“ – und schufen so schon damals das Motto des heutigen Stadtmarketings.

Aktives Eingreifen in das als rassistisch empfundene Stadtbild geschah erstmals 1967: Studenten rissen eigenhändig das Wissmann-Denkmal vor der Hamburger Universität ab. Der „Afrikaforscher“ Hermann von Wissmann ging 1888 nach Ostafrika, um Aufstände der Araber und Afrikaner niederzuschlagen. Das Gebäude der Universität selbst war zu groß, hätte aber auch Ziel werden können – die Universität Hamburg wurde aus dem Kolonialinstitut heraus gegründet.

Neben den hauptsächlich zur Nazizeit gebauten Denkmälern richtet sich die Kritik auch gegen ein neues Projekt: Die Hafencity. Die Straße „Am Kaiserkai“, ein Hotel im Kolonialstil und der „Colonialwarenmarkt“ zitieren die rassistische Vergangenheit und stärken ihre Position in der Gegenwart. Und im „Überseequartier“ werden die Läden nach Kolonialwaren benannt. Laut dem Geschäftsführer der Hafencity-Hamburg-GmbH, Jürgen Bruns-Berentelg, sollen damit „die Internationalität und der Pioniergeist“ Hamburgs geehrt werden. Die Initiative Hamburg Postkolonial sieht darin eine Verhöhnung der Opfer deutscher Kolonialwirtschaft.

Es geht ihnen nicht nur um die Darstellung der Kolonialzeit, sondern auch um ein Bewusstsein dafür, dass es ohne einen breiteren Umgang mit der Vergangenheit keine Befreiung davon geben kann: Leiteten alte, aber noch bestehende, Rassismen den Blick, würden auch Ungleichheit und Unterdrückung verschleppt. Laut Postkolonial reicht es nicht aus, mit dem Nazi-Deutschland unter Hitler aufzuräumen. Für die Verbrechen, die davor und nicht auf deutschem Boden geschahen, besteht die gleiche Verantwortung.

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