Disko, Disko ohne Ende

Shantel ist ein echtes Arbeitstier. Der bekannteste Vertreter des Balkan-Pop tourt 2011 durch ganz Europa. Alle paar Tage eine andere Stadt, ein anderes Land. Türkei, Schweden, Frankreich, Schweiz und natürlich immer wieder Deutschland. Im Hamburger Grünspan steht er fast schon jeden Monat hinter den Plattentellern und präsentiert Musik aus seinem DJ-Set Bucovina Club.
So auch am 26.03.2011. Und das Tanzvolk kriegt tatsächlich nicht genug von Stefan Hantel (so die profane Bedeutung des osteuropäisch klingenden Künstlernamens). Auch an diesem Samstag reicht die Schlang vom Eingang des Grünspan bis um die Ecke in die Simon-von-Utrecht-Straße rein. Doch dank der fixen Türsteher müssen die Besucher nicht lange frieren. 23 Uhr Beginn heißt hier auch nicht wie bei anderen Künstlern: Irgendwann nach Mitternacht lässt man sich mal auf der Bühne blicken. Nein, Shantel erwartet seine Gäste schon von Anfang an hinterm DJ-Pult. Mit mildem Lächeln, im typischen hellen Anzug und mit wirrem Haar.
Vor einigen Jahren brachte Balkanpop zusammen mit Russendisco neuen Wind auf die Tanzflächen dieser Welt. Orientalische und Osteuropäische Folk-Melodien, treibende Bläsersätze und schunkelnde Akkordeonklänge. Weltmusik aus dem Osten traf Elektro und Retro-Swing. Kosmopolite Vielfalt statt dumpfer Bounce-Musik mit den immer gleichen Texten.
Inzwischen ist auch dieses Genre erfolgreich im Mainstream angekommen. Dementsprechend gemischt zeigt sich das Publikum im Grünspan. Viele Jugendliche in den ersten Reihen. Viele ältere Pärchen dahinter. Einige Gruppen sehen aus als wenn die komplette Büroschicht samt Sekretärin und Managern im Anzug zum Feiern angerückt ist. After Work.
Nur die Studenten scheinen heute in der Minderheit. Gute Stimmung herrscht von Anfang an, was natürlich an den fröhlichen ersten Swingklängen von Shantel liegt. Aber die einigermaßen akzeptablen Getränkepreise und die weitläufigen Räumlichkeiten tragen auch dazu bei. Tanzen tun fast alle, denn zu dem kunterbunten Mix von Stilelementen und Gesangsschnipseln lässt sich gar nicht viel falsch bewegen. Nach einer guten Stunde greift Shantel auch endlich zum Mikrofon und singt zu seinen eigenen Stücken im Halb-Playback. Das heizt die Stimmung noch mal weiter an. Shantel genießt die eigene Show offensichtlich. Er wippt ununterbrochen mit, Anfangs noch etwas steif, später tanzt er fast beschwingt hinterm Plattenpult. Er winkt und grüßt Stammgäste im Publikum. Das rückt ihm jetzt auch immer näher. Es fängt mit einzelnen Mädchen an die auf die Bühne klettern, Shantel um ein gemeinsames Foto bitten und sich dann mit einem Küsschen bedanken. Irgendwann beginnt eins der Mädchen mutig entschlossen am Bühnenrand zu tanzen. Nicht viel später sind es schon drei, bald ein Dutzend. Irgendwann ist die halbe Bühne voll. Da greifen die Security ein und schicken die zwei drei männlichen Fans die sich hoch gewagt haben wieder in die Menge zurück.
Dort wird es langsam eng, denn auch wenn es schon auf zwei Uhr zugeht, strömen immer noch neue Besucher in die Halle und drücken nach vorne. Und während die Lücken zwischen den hüpfenden Menschen zusehend verschwinden, tut es auch die Tanzlust.
Langsam fällt auch auf, dass sich der Rhythmus schon seit geraumer Zeit nicht geändert hat. Im gleichen monotonen Takt blinken die riesigen roten LED-Wände im Hintergrund.
Das Phänomen kennt man von den Shantel-Alben. Zuerst sorgt der frische Beat für gute Laune, nach einigen Lieder hört sich aber zunehmend alles gleich an und wird etwas fad. Shantels bisher wohl größter Hit „Disko Partizani“ läuft nun zum wiederholten mal.
Aber ein DJ-Set hat eben eine andere Chronologie als ein Konzert. Auch deshalb ist es diesmal ok früher zu gehen. Vorbei an der Schlange vor dem Damenklo, vorbei an den Türstehern, die inzwischen nur noch kleine Grüppchen von Besucher reinlassen und vorbei an der für drei Uhr immer noch recht beeindruckt großen Menge von Menschen die sich in der Dunkelheit aufreihen. Shantel macht Spaß. Das nächste Mal schon Ende Mai im Grünspan.

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