Die Hamburger Programmkinos wirken durch ihre intellektuelle Atmosphäre trotz des Hollywood Flairs auf den Otto-Normal-Verbraucher oft abschreckend. Anspruchsvolle Filme scheinen nicht mit dem Bild eines typischen Kinoabends konform zu gehen. Wenn man sich dann auch noch eine verhältnismäßig kleine Produktion anschauen soll… Ja, darf man denn im Abaton, Holi oder Streit’s überhaupt Popcorn mampfen, lauthals Lachen, in der letzten Reihe knutschen? Na klar. Und bei Filmen wie „Männer al Dente“ fällt es auch gar nicht schwer daran zu glauben.
Die weitgehende Unbekanntheit der Schauspieler und der Mangel amerikanischer Beteiligung stören kein bisschen. Im Gegenteil: Italienisches Lebensgefühl, liebevoller Witz und stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen machen den neuen Film von Ferzan Ozpetek zu einem lohnenden Stück Filmkultur.
Tomaso (Ricardo Scamarcio) ist der Jüngste von Dreien und zu Besuch im elterlichen Haus. Seine Familie ist in Besitz einer traditionsreichen Nudelfabrik und erwartet nach Abschluss des Studiums in Rom eine Beteiligung ihres Nesthäkchens im Unternehmen.
Dass Tomaso eigentlich nicht BWL sondern Literatur studiert hat, schwul ist und keinesfalls plant sich elterlichen Wünschen zu unterwerfen, ist unvorstellbar. Doch Tomaso möchte sich endlich offenbaren. Um sicherzustellen, dass sein Vater ihn wutentbrannt verjagt, plant der Freiheitsdürstende eine Rede zum abendlichen Familienessen. Am reich gedeckten Tisch, zwischen Plaudereien, Scherzen und froher Stimmung erklingt das Klopfen von Silber an Kristall…
Herrlich: Mit „Männer al dente“ erscheint genau zur rechten Zeit ein Film der sich ins Stimmungsbild fügt, wie es kein anderer vermag. Höchsttemperaturen, pralle Sonne, la dolce Vita eben – Italien, wir kommen!
Manch einer mag fragen: Bei dem Wetter ins Kino? Aber bitte, es gibt doch auch noch Abende und sowieso: Das Kino ist klimatisiert, wir befinden uns im telegenen Sommerloch und die WM ist nun auch durch, durch, durch.
Deswegen ist ein Besuch umso dringlicher. Davon abgesehen rechtfertigt sich der Film schon auf Grund des nicht zu verachtenden Aussehens Ricardo Scamarcios. Stimmt er nicht, der uralt Spruch: Alle gut aussehenden Männer sind entweder schwul oder vergeben?
Doch zurück zum Film.
Bis auf die zuweilen äußerst unangenehme Kameraführung – nein, ich habe keine Freude an Übelkeit durch endlose Karussellsimulationen – gibt es kaum Schwachstellen. Das Thema der „Outingproblematik“ ist liebevoll aufgegriffen und, von einer unnötigen Szene abgesehen, ist auch Tomasos Homosexualität nicht humoristisch ausgereizt.
Ein letzter, ungern erwähnter, Hinweis für die heterosexuelle Männerwelt: Auch für sie ist gesorgt – Nicole Grimaudo gibt, die Zielgruppe komplimentierend, das perfekte Abbild der drallen Vollblutitalienerin.
Homos, Heteros, Unentschlossene: Stört euch an der Hitze nicht – stürmt die Kinos!