Richard III.

Typisch: Da will man vorbereitet ein Shakespeare-Stück besuchen und schafft doch nicht mehr als die Wikipedia-Inhaltsangabe zu lesen. Mich unwissend fühlend betrete ich den Hof, der zu dem Veranstaltungsort, einer alten Fabrikhalle, führt. Ein herber Wind wirbelt den Sand um die alten, teils verfallenen teils erneuerten Fabrikgebäude auf. Der plötzlich einsetzende Regen tut das Übrige um die Zuschauer endgültig in die Fabrikhalle zu treiben. Eine majestätisch anmutende, säulendurchzogene Halle an deren Ende eine Bühne aufgebaut ist. Rund 30 Jugendliche sitzen, stehen und liegen in wartender Haltung auf ihr, als ob der Wind, der Regen und die Zuschauer ihnen völlig gleichgültig wären. Erst als die bedrohliche, treibende und zerstörerische Musik einsetzt, beginnen sie sich zu bewegen. Und so wie draußen der erste Blitz, so explodiert nun die Bühne und zieht die Zuschauer in eine Welt voll von Machtspielen, Intrigen und Grausamkeit.

Dabei benutzt Niklas Heinecke nicht viel, um die Atmosphäre seiner Inszenierung zu erzeugen. Rund 300 Astra-Kisten bilden das Bühnenbild und lassen sich innerhalb weniger Sekunden komplett neu anordnen. Vor allem sind es aber die 30 Darsteller, die neue Situationen schaffen. Nahezu durchgehend befinden sich alle auf der Bühne und nehmen immer wieder neue Rollen und Funktionen ein. Tauchen wichtige Personen wie etwa Richard, Clarence, Heinrich und Elisabeth auf, werden sie zwar stets von den selben Schauspielern verkörpert; ansonsten fungieren die Darsteller aber eher als Bild- und Tonmaterial.
So wird der Bürgerkrieg zwischen den Häusern Yorks und Lancasters, mit dem das Stück beginnt, durch die Übermittlung von Schreckensnachrichten und schließlich durch die Imitation von erregten Funkgeräuschen dargestellt. Das übertriebene Lachen einer Menschenmasse, von denen Richard immer noch einzelne Leute, vielleicht Verräter, umbringt, macht die absurde und ängstliche Leere nach dem Bürgerkrieg deutlich.
Dabei bleibt die Inszenierung der shakespeareschen Handlung, auch wenn stark verkürzt, treu. In die Bilder eingebaut, vor sie gestellt oder innerhalb Unterbrechungen finden die klassischen Monologe und Dialoge ihren Platz und werden durch die Bildsprache unterstützt.

Die Geschichte von Richard, Herzog von Gloster, dem es gelingt mit taktischem und brutalem Kalkül den Königssitz zu erobern, wird in der Fassung der Theater Jugend Hamburg zu einem Theaterereignis, dass die Gier nach Macht und das Verschwinden von Individuen in übergeordneten Strukturen hervorhebt. Dafür ist es eben nicht wichtig die genaue Handlung im Voraus zu kennen. Die Energie der jugendlichen Darsteller und die gekonnte Verbindung zwischen bildlicher, musikalischer und theatraler Sprache reicht aus, um den Zuschauer in den Bann zu ziehen.

FOTO: Bernd Willeke

richard richard richard richard

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert