Jan Böhmermann – Schlimmer als Michael Wendler?

Der Fernsehmoderator und Kabarettist Jan Böhmermann besuchte im März 2014 die Hansestadt mit seiner Tour „Schlimmer als Jan Böhmermann“. Sein Mantra „Komödie = Tragödie + Zeit“ zog sich als roter Faden durch den Abend – mal mehr und mal weniger erfolgreich.

Die Markthalle am Hamburger Hauptbahnhof war ordentlich gefüllt als um 20 Uhr die Show begann. Das 700-köpfige Publikum wurde leise und starrte gebannt zur Bühne. Auf der Leinwand war William Cohn zu sehen, der Sidekick Böhmermanns aus seiner Sendung „Neomagazin“ im Nischensender ZDFneo. Er leitete die Show mit den Tyrannen der Weltgeschichte ein: Neben Hitler und Stalin seien auch Michael Wendler und Adel Tawil nicht so schlimm wie… Jan Böhmermann, der mit einer Tanzeinlage die Bühne betrat. Sofort legte er mit seinen Gags und Witzen los, die, wenn man Böhmermann etwas länger verfolgt, nicht neu waren. Die Stay Stupid Acadamy kannten Radiofans aus Berlin und Brandenburg schon aus der Sendung Sanft&Sorgfältig, die Böhmermann mit seinem Kollegen Olli Schulz auf RadioEINS moderiert. Sie parodiert die Be Smart Acadamy in Berlin, die auf Leistung und Bildung von Kindern im Kindergartenalter setzt.

Natürlich konnte der 33-jährige Bremer es nicht lassen und hat aktuelle politische Ereignisse auf seine sarkastische und zynische Weise behandelt. Dies kam sehr gut beim Publikum an, insbesondere die Edathy-Affäre. In den Print- und Onlinemedien wird das Thema auf eine Art behandelt, die einen oft verzweifeln lässt. Daher war es durchaus erfrischend und von den Zuschauern willkommen, einen etwas leichteren und humorvolleren Blickwinkel erfassen zu können, der jedoch kritisch bleibt. Hier ging die Formel Tragödie + Zeit = Komödie nicht etwa auf, weil die Zeitspanne gepasst hat, sondern weil Jan Böhmermann sein Talent und seine Eigenschaften nutzte und den Zuschauern gezeigt hat, dass die vermeintliche Tragödie selbst irgendwo eine Komödie ist. Bei tragischeren Ereignissen, wie die Costa Concordia und der Love-Parade, wo viele Menschen ihr Leben ließen, konnte Böhmermann nicht wirklich punkten. Das Publikum wirkte zurückhaltend und fühlte sich unwohl. Im Vergleich funktionierten die Anektoden zum Thema 2. Weltkrieg, rechte und linke Szene in Deutschland durchaus besser – auch weil in der zweiten Reihe ein Punker-Pärchen saß, was Böhmermann gelegen kam.

Während er seine Texte vorlas, fällt einem auf, dass der seit 2005 im Fernsehen aktive Böhmermann ein unentdecktes Schreibtalent ist. Es wurde ab und an gelacht aber hauptsächlich aufmerksam zugehört. Es war überraschend, wie vielfältig und talentiert er mit Wörtern umgehen kann, wenn man weiß wie gerne er bei Interviews und Improvisation über seine Sätze und Gedankengänge stolpert.

Zwischendurch stellt er sein Hörbuch-Projekt „Förderschulklassenfahrt“ vor, was er mit seinem Kollegen bzw. On-Screen Erzfeind Klaas Heufer-Umlauf(„Circus HalliGalli“) produzierte. Indem er abwechselnd die Rolle der Leherin Sybille Rättkofski und die Rolle des 17-jährigen Hassans einnimmt, stellt er die Klischees einer Förderschule mit Schülern bildungsfernem Hintergrunds witzig dar.

Im weiteren Verlauf des Abends möchte Böhmermann weiter in die politische Materie eintauchen. Die letzten paar Monate hatte er des öfteren sein angeblich geplantes Beate Zschäpe-Musical erwähnt. Der Einspieler, der auch schon mal bei „Neomagazin“ zu sehen war, kam gar nicht gut bei dem Zuschauer an. Ab und an konnte man verhaltenes Lachen hören, jedoch war nach dieser Filmsequenz eine bedrückende Stimmung zu spüren – Tragödie + zu wenig Zeit = awkward. Dies merkt aber auch Böhmermann und schaltet sofort auf einen weiteren Clip. Legghims-Leggings for men, schien zwar aus dem Nichts gegriffen jedoch war die Zschäpe dann aber vergessen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Jan Böhmermann eine solide Show abgeliefert hat. Viele Ansätze und Ideen waren gut gemeint,jedoch sollte er sensible Themen sanfter und bedachter angehen. Man kann erkennen, dass Böhmermann versucht etwas neues zu schaffen. Eine Art Kompromiss zwischen Kabarett und einfachem Comedy. Er muss noch die goldene Mitte finden, wozu er durchaus in der Lage ist, denn Böhmermann hat definitiv unheimlich viel Potenzial, welches er hoffentlich noch ausschöpft. Besonders an  seinem Schreibtalent sollte er festhalten. Im TV ist so etwas nämlich rar. Bei der nächsten Tour ist dann vielleicht auch  die Love Parade lustig.

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